Die Shoah

Wittlich war nicht „judenfrei“

Kategorie: Die Shoah

Die Geschichte von Celina aus Warschau

Im Sommer 1942 wurden die letzten Juden aus Wittlich ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Ein halbes Jahr später, im Februar 1943, gab das Arbeitsamt Wittlich eine Zuzugsmeldung an den Landrat weiter über den Zuzug einer jungen Frau, Anna Zahrzewska, aus Warschau. Sie arbeitete als „polnische Zivilarbeiterin“ ab diesem Zeitpunkt in der Gastwirtschaft und Metzgerei Kiesgen in der Burgstraße. „Anna Zahrzewska“, das war der Name, der auf den falschen Papieren stand. Der wirkliche Name dieser jungen Frau war Celina Eisenberg, eine Jüdin aus Warschau. Mit ihrer falschen Identität gelang es Celina – und auch ihrer Tante, die später kam, die Zeit des Nationalsozialismus in Wittlich zu überleben.

Celina Fein Eisenberg MB 500Celina Eisenberg stammte aus einer kinderreichen, gut situierten jüdischen Familie in Warschau mit insgesamt neun Kindern. Ein Bruder konnte früh nach Palästina auswandern. Alle anderen traf das gleiche Schicksal wie die meisten Warschauer Juden nach Beginn des Krieges am 1. September 1939. Sie wurden von Anfang an schikaniert, mussten dann 1940 ins Ghetto ziehen und dort unter fürchterlichen Bedingungen leben. Als im Juli 1942 die großen Deportationen nach Treblinka beginnen, beschließt Celina zu fliehen. Es dauert aber noch einige Zeit, bis ihr dies gelingt. Ihre Eltern, Geschwister und Verwandte, die mit ihr im Ghetto waren, sieht sie nie wieder.

Die Zeit in Wittlich, bis zum Einmarsch der Amerikaner im März 1945, erlebt sie wie ein Überleben „im Maul des Löwen“. Sie wird an ihrer Arbeitsstelle nicht schlecht behandelt, muss aber natürlich immer aufpassen, dass sie sich nicht verrät. Sowohl die Familie Kiesgen, als auch die anderen Wittlicher, die sie bei Nazi-Aufmärschen auf dem Marktplatz beobachtet, sieht sie als fanatische Anhänger des Nationalsozialismus. Ihre Zuflucht, und die ihrer Tante, sind die Wälder, in die sie am freien Sonntag gehen und sich ausweinen und stärken können.

Nach der Befreiung durch die Amerikaner geht sie zunächst nach Trier, dann in ein Lager für jüdische Displaced Persons nach München. Dort lernt sie ihren späteren Mann kennen, ein Überlebender verschiedener Konzentrationslager. Noch in München kommt ihr erster Sohn zur Welt. Schließlich gelingt es der kleine Familie, in die USA auszuwandern, wo am Ende Houston in Texas ihre neue Heimat wird. Ihr Leben lang setzt sich Celina Fein, wie sie jetzt heißt, dafür ein, dass die schreckliche Zeit, die sie persönlich erlebt hat, nicht vergessen wird.


Vortrag von Dr. Marianne Bühler in der ehemaligen Synagoge Wittlich, veranstaltet von AK „Jüdische Gemeinde Wittlich“, dem Emil-Frank-Institut und dem Kulturamt der Stadt

Quellen:

  • Celina Fein, My Fathers Blessings, Xlibris Corporation, USA 2011
  • Interviews mit Celina Fein können gehört werden über das United States Holocaust Memorial Museum, https://www.ushmm.org
  • Videointerview mit Celina Fein (über youtube)

Celina Eisenberg/Fein ist am 2. März 2017 in Houston, Texas verstorben.